Der Bundesgrichtshof wird am 18.3.2010 darüber verhandeln, wie sich die Störerhaftung bei einem WLAN darstellt. Das könnte auch für freifunk.net ein sehr wichtiger Termin werden.
Schon seit langem exisitert eine gewisse Rechtsunsicherheit zu dieser Frage. Es sind bereits einige Fälle bekannt geworden, bei denen die Betreiber offener WLANs mit Internetanschluss mit dem Vorwurf der Störerhaftung konfrontiert wurden. Je nach Gericht wurde darüber unterschiedlich entschieden. Oftmals kam es aber garnicht erst zu einer Gerichtsverhandlung, da die Anwälte der Content-Industrie die Betroffenen bereits mit Ihren Abmahnungen ausreichend eingeschüchtert haben und die Aussichten auf einen gerichtlichen Erfolg unterschiedlich eingeschätzt wurden. In den meisten Fällen fehlte aber vor allem auch das Geld, um den Weg vor Gericht überhaubt antreten zu können.
Deshalb haben einige FreifunkerInnen gemeinsam einen Spendenaufruf verfasst, den ich an dieser Stelle gerne veröffentlichen möchte:
Spendenaufruf "Freifunk statt Angst"
Die Gemeinschaft der Freifunkerinnen und Freifunker braucht Eure/Ihre Unterstützung! Windige
Advokaten überziehen unser Land mit einer Welle von unberechtigten
Abmahnungen. Sie diskreditieren die Freifunkidee und versuchen Freifunk
in die Ecke von Internetkriminalität zu stellen. Gemeinsam wollen wir
alle Rechtsmittel ausschöpfen und uns dagegen wehren. Aus diesem Grund
gründen engagierte Freifunkerinnen und Freifunker einen
Rechtshilfefond. Aus diesem Fond sollen bedrohte Freifunker und
Freifunkerinnen unterstützt werden, damit sie sich gegen unberechtigte
Abmahnungen wehren können, ohne das finanzielle Risiko alleine tragen
zu müssen.
- Wir bitten um Spenden mit dem Stichwort: "Freifunk statt Angst!" an den Verein:
- Förderverein Freie Netzwerke e.V.
- Konto 7227227006
- BLZ 10090000
- Berliner Volksbank
- IBAN: DE51100900007227227006
- BIC: BEVODEBB
- Verwendungszweck: Freifunk statt Angst!
Damit
wir die juristische Klärung des Sachverhalts finanzieren und die
finanziellen Risiken auf viele Schultern verteilen können.
Die
fortschreitende Digitalisierung verändert viele Geschäftsmodelle. Zu
diesen Geschäftsmodellen gehört bekanntermassen auch das Geschäft der
Musik- und Filmindustrie. Durch die digitale Verbreitung
urheberrechtlich geschützten Materials wird es zunehmend schwerer
grosse Gewinne allein durch den Verkauf von Bild- und Tonträgern
einzufahren. Die Rechteindustrie hat eine – in ihrer Vorgehensweise und
Wortwahl – reichlich militante und vorsätzlich irreführende Kampagne
gestartet, um der legalen Privatkopie den Kampf anzusagen. Darüber
hinaus sollte ein allgemeines Klima der Rechtsunsicherheit, Überwachung
und Angst geschürt werden. Der Slogan "Raubkopierer sind Verbrecher"
ist inhaltlich so fragwürdig, wie er absurd ist, denn Raub ist die
gewaltsame Wegnahme einer Sache. Doch der Slogan
"Urheberrechtsverletzer sind Verbrecher" "zieht" halt einfach nicht,
und zudem wäre er inhaltlich immer noch falsch. Von einem Verbrechen
könnte man bestenfalls bei gewerbsmässigem und/oder durch organisierte
Banden verübten Urheberrechtsverletzungen sprechen. Der Slogan der
Kampagne entpuppt sich bei näherer Betrachtung lediglich als heisse
Luft.
Der
Lobbyismus der Rechteindustrie hat nichtsdestotrotz Rückschläge und
Erfolge erzielt. Vor allem auf politischer Ebene. Zu diesen "Erfolgen"
gehört neben der Vorratsdatenspeicherung – die ja gerade im ersten Entwurf gescheitert und deshalb jetzt wieder neu diskutiert wird – vor allem ein allgemeines
Klima der Rechtsunsicherheit, das unter anderem unverschlüsselte
drahtlose Internetzugänge zu einem zivilrechtlichen Risiko macht.
Von
dieser Rechtsunsicherheit profitiert die Abmahnindustrie. Konkret
handelt es sich um einige dubiose Anwaltsbüros die das Abfischen von
Filesharingnutzern als höchst lukratives Geschäftsfeld für sich
entdeckt haben. Diese verbinden sich selbst mit einer Tauschbörse und
suchen dort nach IP-Adressen aus der Bundesrepublik über die gerade
urheberrechtlich geschützte Inhalte getauscht werden. Dabei werden
Screenshots gemacht, diese sollen bei Bedarf vor Gericht als
Beweismittel dienen.
Zwar
haben Gerichte verfügt, dass die Adressen von Anschlussinhabern zu den
jeweiligen IP-Adressen nur bei strafrechtlich relevanten Vorgängen
herausgegeben werden müssen, doch dieser Schutz wird von den
Abmahnanwälten umgangen, in dem zunächst ein Strafverfahren eingeleitet
wird. Dies ist zwar aussichtslos, aber sie kommen so an die Adressen
der Anschlussinhaber.
Daraufhin
flattert dann den Anschlussinhabern per Briefpost ein Abmahnschreiben
ins Haus. Inhalt: Der Anschlussinhaber soll eine Geldbusse in der Höhe
von 400-600 Euro an die Abmahnanwälte bezahlen und eine
Unterlassungserklärung unterschreiben, mit der er/sie sich verpflichtet
bei einem weiteren Verstoss eine exorbitante Summe zu bezahlen.
Widrigenfalls wird mit einem Gerichtsverfahren gedroht.
Da
viele Leute Angst haben, sich auf dem ihnen unbekannten Gebiet des
Rechts auf ein Abenteuer einzulassen, haben die Abmahnanwälte leichtes
Spiel und streichen mit wenig Aufwand ordentliche Gewinne ein. Nur ein
kleiner Teil davon geht an die Inhaber der Urheberrechte. Dieses
Geschäftsmodell floriert offensichtlich mittlerweile, denn in letzter
Zeit trifft es nun auch einzelne Betreiber von Freifunk-Gateways. Da
lädt irgend so ein Dummkopf die "Grössten Hits von Ballermann sechs"
über den Gateway von Floh Fleissig herunter und dieser bekommt
anschliessend seltsame Briefpost.
In
diesem Fall heisst es: Zuerst einmal Ruhe bewahren. Auf gar keinen Fall
sollte man derartige Erklärungen unterschreiben und damit den Kopf in
die Schlinge stecken oder die geforderte Summe in voller Höhe bezahlen.
Ängstliche Naturen können eine von unseren Anwälten modifizierte
Abmahnerklärung abgeben. Wer meint, er oder sie möchte versuchen die
Abmahnanwälte durch kleine Geschenke zu beschwichtigen kann 100€
bezahlen. Mehr ist ein derartig einfacher Urheberrechtsverstoss laut
der Auffassung vieler Gerichte ohnehin nicht wert.
Wer
nicht so ängstlich ist sollte es auf ein Gerichtsverfahren ankommen
lassen. Schliesslich gilt es unsere Freiheit und Freizügigkeit zu
verteidigen.
Beweise?! Welche Beweise?!
Zunächst
einmal ist die Beweislage (Screenshot mit einer IP-Adresse) äusserst
dünn. Dass ein Screenshot als Beweismittel gelten kann, können nur
diejenigen glauben, die noch nie ein Programm wie Photoshop oder GIMP
aus der Nähe gesehen haben. Ausserdem: Der Bittorrent-Tracker
"Opentracker", der unter anderem von dem populären Torrent-Tracker "ThePirateBay.org"
verwendet wird, generiert auch zufällige IP-Adressen als vermeintliche
Peers. Zu dieser Strategie der Entwickler von "Opentracker" kann man
stehen wie man will. Ob auch andere Tauschbörsen ähnliche Strategien
anwenden, oder nicht, ist nicht bekannt. Doch damit ist die Beweiskraft
eines Screenshots zusätzlich fragwürdig. Es kann daher lediglich ein
dummer Zufall sein, dass die IP-Adresse des Gatewaybetreibers im
Screenshot der Abmahner aufgetaucht ist.
Floh
Fleissig schwört jedenfalls Stein und Bein, dass ihm schon beim
Gedanken die "Grössten Hits von Ballermann sechs" anhören zu müssen,
das Blut aus den Ohren tropft. Ausserdem betreibt Floh Fleissig offene
Gateways – er kann laut Telekommunikationsgesetz gar nicht überwachen
wer sich was wann über seinen Gateway klickt. Seit wann ist Floh
Fleissig als Zugangsprovider für die Inhalte verantwortlich, welche die
Nutzer über seinen kostenlos bereit gestellten Zugang nutzen oder
anbieten? Dem steht die Auffassung einiger Richter entgegen: "Wer einen
ungesicherten Internetzugang anbietet ist prinzipiell selbst schuld."
Das sehen einige Richter so und andere Richter anders.
Wenn
Floh Fleissig vor Gericht in der ersten Instanz verliert kostet es etwa
1400€. Diese Euros braucht Floh Fleissig nicht selbst alleine zu
bezahlen. Schliesslich sind wir eine Community und der Angriff auf die
Freiheit und Freizügigkeit von Floh Fleissig geht uns alle an. Das
Problem haben nicht nur wir Freifunker, sondern alle die offene
Internetzugänge betreiben. Seien es nun Cafes, Kneipen, Clubs, Vereine,
Universitäten, Bibliotheken oder jede Person, die der Meinung ist, dass
ein schneller und teurer Breitbandanschluss für mehr als eine Person
ausreicht. Die Freiheit anderen gegenüber freizügig zu sein, dürfen Wir
Uns nicht von den Profitinteressen einer wild gewordenen Industrie
nehmen lassen. Das ist nicht Recht und auch nicht billig!
Spendet
deshalb mit dem Stichwort: "Freifunk statt Angst!" an den gemeinnützigen Förderverein Freie
Netzwerke e.V. damit wir die juristische Klärung des Sachverhalts
finanzieren und die finanziellen Risiken auf viele Schultern verteilen
können.