Wolfgang Noelke war beim Wireless Community Weekend zu Gast. Er hat in
den letzten Jahren bereits öfters über Freifunk berichtet und liefert
nicht nur interessante, sondern auch gut recherchierte und faktisch
korrekte Beiträge. Das fällt vielen Journalisten nicht nur in bezug auf
Freifunk schwer.
(Wolfgang Noelke) In Berlin realisierte man vor fünf Jahren, was man zur Jahrtausendwende
bereits in London versuchte: Eine drahtlose Vernetzung aller in der
Nachbarschaft vorhandenen PCs, die im Prinzip so funktioniert, wie
kreuz und quer miteinander verbundene Straßen: Wenn eine dieser Straßen
einen Autobahnanschluss hat, ist es nur eine Frage der Zeit, wann ein
am anderen Ende des Straßennetzes startendes Fahrzeug die Autobahn
erreicht. So schrieb die Freifunk-Gemeinde ein Protokoll, das jedem, im
Netzwerk angemeldeten Computer das aktuelle Abbild der sich ständig
verändernden Verbindungen mitteilt und veröffentlichte es unter dem
Namen "Optimized Link State Routing". Wer an Freifunk teilnehmen
wollte, ob mit oder ohne Internetanschluss, brauchte nur noch einen
passenden WLAN-Router, erinnert sich Jürgen Neumann, Gründer von
Freifunk:
(Jürgen Neumann) Lange Zeit ging das so,
man kauft sich einen Access-Point, der muss kompatibel sein. Da gibt es
eine lange Liste von verschiedenen Geräten, die dafür infrage kommen
und dann kann man über ein Web Interface Firmware austauschen.
Freifunk-Firmware kann man sich kostenlos aus dem Internet herunter
laden und es reicht, diese zu ersetzen, aber wir sind einen
wesentlichen Schritt weiter. Ich habe aus Taiwan erste Router
mitgebracht, die tatsächlich schon ab Werk mit einer Firmware geflasht
sind, die man überhaupt nicht mehr konfigurieren muss. Also es reicht,
die Geräte einfach in die Steckdose zu stecken und der Rest geht
automatisch.
(Wolfgang Noelke) Das schreckte viele ab: Firmware
auszutauschen, an sich ein kompliziertes und riskantes Manöver, bei dem
die Betriebssoftware des Routers durch eine neue, quasi
selbstgestrickte Version ersetzt wird. Das schreckte besonders
diejenigen ab, für die Freifunk ursprünglich gedacht war: Teilnehmer
ohne Internetanschluss und einer deswegen auch oft mangelnden Internet-
und Computererfahrung. Die Teilnehmerzahl wuchs trotzdem. Inzwischen
sind ganze Stadtteile Berlins und Städte wie Weimar gut vernetzt. Mit
zunehmender Teilnehmerzahl wurde das alte Netzwerkprotokoll immer
langsamer. Es berechnet ja die Navigation durch das das gesamte
Netzwerk, kennt bereits beim Absenden eines Datenpäckchens jeden Knoten
bis zum Ziel. Daran wurde gearbeitet: Um den genauen Weg zum Ziel
kümmert sich das neue Protokoll B.A.T.M.A.N. – "Better Approach To
Mobile Adhoc Networking", generiert wörtlich eine "Bessere Ähnlichkeit
Mobiler Spontan-Netzwerke" und verhält sich auch so. Wer spontan ein
Päckchen versendet, denkt doch niemals an die unterwegs zu
durchlaufenden Poststationen:
(Jürgen Neumann) Ich muss nur wissen, wenn ich ein Päckchen von hier schicke, wo der nächste Briefkasten ist, wo ich das abgebe, sozusagen.
(Wolfgang Noelke) Von
da ab geht’s nun automatisch: Geeignete Briefkästen zum Weiterversenden
sind die der nächsten Nachbarschaft, bis das Päckchen zufällig einen
Briefkasten mit Internetanbindung erreicht.
(Jürgen Neumann) Da
sind schon Mechanismen implementiert, um das permanent zu überprüfen
und die Router auch sehr schnell anzupassen. Also jeder einzelne Node
weiß nur noch, bei welchen nächsten Nachbarn er ein Paket abgeben muss,
wenn es in eine bestimmte Richtung geschickt werden soll.
(Wolfgang Noelke) Neben
dieser selbstverständlich unter Open-Source-Bedingungen angebotenen
Software beschäftigt sich die Gemeinschaft bereits auch mit
Open-Source-Hardware. Auf einen Hauptprozessor im Router, die so
genannte CPU, verzichtet man:
(Jürgen Neumann) Die
Gruppe heißt OpenPattern.org, die gerade dabei sind, einen Router zu
entwickeln. Und dieser Router verwendet keine CPU mehr im Sinne eines
vorgefertigten Chips, sondern ein Bauteil, in das man selber eine
CPU-softwaremäßig schreiben kann. Das bedeutet, die entwickeln gerade
ihre eigene CPU und ihr eigenes Routerboard und sicher haben wir auch
schon darüber gesprochen, mal einen Wireless Chip aus der Community
heraus zu designen und dann dafür hoffentlich einen Hersteller in
Taiwan oder in einem anderen Land zu finden.
(Wolfgang Noelke) Vielleicht
bewahrheitet sich damit bald der Freifunk-Traum, dass sich überall
dort, wo mehrere WLAN-fähige Geräte sich gegenseitig erreichen, sich
spontan ein Netzwerk bildet. Das nennt sich Meshing. Jürgen Neumann:
(Jürgen Neumann) ##Seitdem
wir uns mit Meshing beschäftigen, beschäftigen wir uns mit der Idee,
dass jedes Telefon zum Beispiel ein Meshpoint sein könnte oder jeder
kleine PDA. Alles was die Leute so an elektronischen Geräten in der
Tasche mit sich herum tragen. Es hat nur leider zwei große Probleme.
Das erste ist, dass der Stromverbrauch dieses WiFi Chips ziemlich hoch
ist. Und wenn wir uns so eine Mesh-Wolke vorstellen, die immer in
Bewegung ist, dann würde das auch bedeuten, dass das Wireless Device
permanent Daten überträgt und mit den Chips, die wir heute haben, würde
das zu viel Strom verbrauchen. Der zweite Punkt ist, dass es zwar schon
eine Implementierung von BATMAN auf Layer zwei gibt, dass man diese
aber in die Firmware des Chips idealerweise integrieren müsste und dass
es bisher noch keinen Chiphersteller gibt, der sagt: Lass uns das
machen.