Vom Asylbewerber-Obdach ins Klassenzimmer: Zwei Fälle von Bürgerbeteiligung durch Freifunk Berlin

Land: Deutschland
Autoren: Tim Schütz und Monic Meisel
Organisation: Freifunk
URL: https://freifunk.net

Vorwort

Wenn sich die Initiative “Freifunk” für Netzneutralität, Internetzugang als Menschenrecht oder bürgerschaftliches Engagement während der sogenannten Flüchtlingskrise einsetzt, wird sie unabhängig vom jeweiligen Thema von Journalisten, Politikern und Aktivisten gleichermaßen beachtet. Durch die Anbindung von über 300 Flüchtlingsunterkünften und Aufnahmezentren (1) an das Internet über ihr eigenes Netzwerk konnte die Freifunk-Bewegung die Bedeutung ihrer Hackerpraktiken für die digitale Infrastrukturpolitik in Deutschland unterstreichen. Was als außergewöhnliche “humanitäre Medienintervention” (2) betrachtet werden kann, ist auch ein weiterführender Schritt, um Freifunk als legitime Form des “digitalen Freiwilligendienstes” zu etablieren. Das erfordert auch eine fortgesetzte Auseinandersetzung mit öffentlichen Institutionen, um einen legalen Rahmen für die Freifunk-Bewegung und die von ihr entwickelten Praktiken zu schaffen.

In unserem Bericht verwenden wir zwei Fallstudien, um die Frage zu untersuchen, was es bedeutet, freien drahtlosen Netzwerkaktivismus in verschiedenen Kontexten bereit zu stellen. Dabei nehmen wir Bezug auf das Engagement von Freifunk in Jugendzentren, Flüchtlingsunterkünften und Aufnahmeeinrichtungen in Berlin (3). Wir diskutieren zentrale Problembereiche, die vom Einfluss „humanitärer“ Logik auf Freifunk-Aktivismus bis hin zu der Herausforderung reichen, Lehrer an der Weitergabe von Freifunk-Praktiken im Unterricht zu beteiligen. Wir betrachten auch die übergreifenden restriktiven gesetzlichen Bestimmungen, die Breitbandpolitik im Allgemeinen und die Entwicklungen in Bezug auf bestimmte Formen der Partizipation und Bürgerschaft, die sich derzeit auf Freifunk auswirken.

Strategien, wirtschaftlicher und politischer Hintergrund

Die in den frühen 2000er Jahren, rund 12 Jahre nach der Wiedervereinigung in Berlin gegründete Freifunk-Bewegung wird gerne als Antwort auf das “Marktversagen” von Telekommunikationsunternehmen angesehen. In ihren Anfängen hat sie als Eigeninitiative und sozio-technologische Praxis dabei geholfen, Internetzugang im wiedervereinten Osten Berlins und im ländlichen Deutschland zur Verfügung zu stellen (4).

In den ersten Workshops wurde vor allem an und mit drahtlosen WLAN-Geräten, an Antennen, freier Software, Organisationsformen und Routing-Protokollen gebastelt. Als die Verbreitung von erschwinglichen kommerziellen Breitbandzugängen zum Ende der 2000er Jahre zunahm, schrumpfte die Initiative in Berlin und in anderen Städten auf eine Reihe von Kernteilnehmern der Underground-Hacking-Szene. Doch inzwischen gibt es hunderte von aktiven und florierenden Freifunk-Communities in Städten und Gemeinden in ganz Deutschland und anderen deutschsprachigen Ländern.

Die Initiative wuchs zeitgleich und oft auch räumlich überschneidend mit der Verbreitung von Hackerspaces, Fab-Labs und anderen Do-it-yourself (DIY)-Praktiken. Ihr politisches Bewusstsein wird sowohl durch ihren Aktivismus als auch durch ihre Beteiligung an Netzwerkpolitik deutlich. Unter dem Motto “Freifunk statt Angst” haben die Freifunk-Gruppen erfolgreich versucht, die sogenannte “Störerhaftung” in Deutschland zu kippen, dass die rechtliche Verantwortung für die Online-Aktivitäten von unbekannten WLAN-Nutzern den Anschlussinhabern der geteilten Internetanschlüsse aufgebürdet hatte. Nachdem die Initiative über mehrere Jahre die Gesetzespraxis juristisch angefochten hat und durch technische Maßnahmen umging, indem sie den Internetverkehr in Länder außerhalb Deutschlands umgeleitet hat, wurde die Störerhaftung von der Bundesregierung 2017 abgeschafft. Obwohl dies neue Möglichkeiten für kostenlose drahtlose Netzwerke in Deutschland eröffnet, gibt es Praktiken von kommerziellen ISPs, sowie nationale und regionale Vorschriften und Richtlinien, die Freifunk immer noch betreffen:

  • Die übermäßige Nutzung des knappen, lizenzfreien Frequenzspektrums durch kommerzielle Anbieter, verbunden mit fehlenden Frequenzen für die nicht-kommerzielle, unlizensierte öffentliche Nutzung.
  • Lokal unbenutzte Frequenzbereiche, z. B. ungenutzte TV-Kanäle, die für die dezidiert unkommerzielle Nutzung für TV-Whitespace-WLAN oder LTE (7) freigegeben werden sollten.
  • Die bislang noch nicht umgesetzte Notwendigkeit, den Zugang zu Kommunikationsnetzen zu einem grundlegenden Menschenrecht zu machen, insbesondere für Minderheiten (8).
  • Die problematischen Richtlinien der Europäischen Union (EU), die die Installation von eigener, freier Software in allen Geräten mit Funkschnittstellen behindern, sowie die Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung, die zusätzliche Hürden für Gemeinschaftsnetze schaffen.
  • Die EU-Finanzierungsvorschriften für Gemeinschaftsnetze (wie Wifi4EU), die eine zentrale Registrierung der Nutzer verlangen, die mit der neu geltenden GDPR (General Data Protection Regulation) und den Freifunk-Werten des Verzichts auf die Erhebung von privaten Daten in Konflikt steht.
  • Die noch immer ausstehende Anerkennung des gemeinnützigen Status von Freifunk-Gruppen, die im Koalitionsvertrag der aktuellen Regierung enthalten ist (9).

Obgleich sich alle genannten Punkte auf Freifunk auswirken, gehen wir mit den folgenden Fallbeschreibungen überwiegend auf den letzten Punkt ein, nämlich die rechtliche Anerkennung von Freifunk als legal anerkannte Gruppierung und nicht nur auf ein offenes und spontanes Kollektiv von Einzelpersonen. Unsere zwei Beispiele zeigen Grenzen und die kreativen Workarounds von Freifunk, die in den letzten Jahren entstanden sind.

Fall 1: Humanitäre Interventionen in Flüchtlingsunterkünften

Der „lange Sommer der Migration“ (10) war ein Wendepunkt, der die Arbeit der Freifunk-Initiative mit der Realität von Flüchtenden zusammen brachte. Das Engagement der Freifunker für die Situtation der Geflüchteten in den Notunterkünften wurde zu einem der sichtbarsten “Tech”-Projekte in einer Hochphase von gemeinnützigem freiwilligen Engagement, der als “Willkommenskultur” bezeichnet wurde. Die Bereitschaft, Flüchtlinge zu unterstützen, war an sich nicht neu, da Mitglieder der Berliner Freifunk-Community schon vorher Migrantencamps im Bezirk Kreuzberg mit Internetzugang ausgestattet hatten. (11) Damit unterstützten sie die Haltung anderer Nichtregierungsorganisationen, dass digitale Kommunikationsendgeräte mehr als „Luxusartikel“ (12) sind, über deren Besitz sich fremdenfeindliche Kreise der Gesellschaft echauffierten. Gerade für Menschen, deren Familien auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung zerrissen werden, ist (digitale) Kommunikation als grundlegendes Menschenrecht anzusehen. Gemeinsam mit etablierten und traditionellen Hacker-Organisationen wie dem Chaos Computer Club (13) stellte die Freifunk-Initiative die materiellen Mittel und Strategien bereit, um Netzwerkinfrastruktur für Flüchtlingsunterkünfte und Aufnahmezentren bereit zu stellen oder zu verbessern. Ebenso konnten die Freifunkas positiv auf die oft problematische Haltung und Vorgehensweise der Betreibergesellschaften der Flüchtlingsunterkünfte bei der Bereitstellung von Kommunikationsinfrastruktur einwirken (14).

Um dies zu beleuchten, haben wir ein Interview mit Philipp geführt, einem 31-jährigen Master-Student der Informatik, der seit Beginn der Flüchtlingskrise im Berliner Stadtteil Neukölln an der Unterstützung der Geflüchteten durch Freifunk beteiligt war. Sein Engagement begann, als ein Notlager im Fitnessstudio seiner Universität eröffnet wurde. Die meisten freiwilligen Helfer konzentrierten sich darauf, die Versorgung für die grundlegende Hygiene, Kleidung und soziale Unterstützung bereitzustellen. Philipp interessierte sich für die digitale Infrastruktur, aber seine Idee, Internet-Zugang für die Geflüchteten über das “eduroam“-Netzwerk (15) der Universität umzuleiten, erwies sich aus rechtlichen Gründen als schwierig. Diese Erfahrung brachte ihn jedoch dazu, seine Idee in einer Flüchtlingsunterkunft in seiner Nachbarschaft umzusetzen. Zusammen mit zwei anderen Freunden machten sie sich auf die Suche nach Unternehmen oder Einzelpersonen, die bereit waren einen Internet-Uplink für Flüchtlingsunterkünfte und Aufnahmeeinrichtungen in der Nachbarschaft bereitzustellen.

Als die improvisierten Notunterkünfte für die Flüchtlinge in ganz Berlin immer mehr wurden, begann Philipp das öffentliche Freifunk Wiki zu nutzen, um den Status der verschiedenen Freifunk-Installationen im Überblick zu behalten (16). Die Freifunk-Aktivitäten in den Notunterkünften wurden nun durch ein regelmäßiges, gemeinsames Treffen in der c-base organisiert, Berlins bekanntestem Hackerspace. Zu den Meetings versammelten sich in der Hochphase wöchentlich bis zu 30 Personen, um mögliche Installationen zu planen. Auch wenn sich viele Unterstützer und Betreiber von Notunterkünften zu den Organisationstreffen in der c-base einfanden, kamen Flüchtlinge und Asylsuchende nur gelegentlich in den überfüllten Seminarraum, räumte Phillip ein.

Laut Philipp sind die Probleme bei der Installation von Freifunk in Unterkünften eher legaler als finanzieller Natur. Zunächst waren viele Sozialarbeiter und Manager skeptisch hinsichtlich des rechtlichen Status und der technischen Details von Freifunk, insbesondere in Bezug auf die Haftung für rechtliche Verstöße von Internet-Nutzern. Um sie überzeugen zu können, musste er zeigen, wie Haftungsgesetze durch die Umleitung des Internetverkehrs über die bereits oben genannten VPNs umgangen werden können. Die anschließenden Sorgen beschäftigten sich dann mit Budgetfragen, einschließlich des möglichen Umfangs der Installation (z. B. sollte Internetzugang nur in bestimmten Räumen oder im gesamten Gebäude verfügbar sein) und wie die Betriebs- und Wartungskosten abgedeckt werden sollten.

Philipp stellte fest, dass es nur wenige soziale Träger der Notunterkünfte gab, die die digitale Infrastruktur vollständig in die Überlegungen für neu gebaute Flüchtlingsunterkünfte integriert hatten. Obwohl sich einige Betreiber damit einverstanden erklärten, die vollen Kosten für die zu verwendenden Router und Antennen zu übernehmen, mussten sich andere auf die Freifunk-Initiative verlassen, um gespendete Geräte, Bandbreite und Zeit bereitzustellen, da sie keine Mittel für Medien- und Kommunikationsinfrastrukturen eingeplant hatten. Außerdem sind improvisierte Notunterkünfte wie das Universitäts-Fitnessstudio zweckentfremdete Gebäude, von denen erwartet wird, dass sie nur für kurze Zeit genutzt werden.

Phillip sagt, das anfängliche schnelle Wachstum von „Freifunk for Refugees“ habe nur in der ersten Phase des Projekts stattgefunden. Jetzt, sagt er, taucht nur noch eine Handvoll Menschen zu den Treffen auf, während die Unterkünfte geschlossen wurden und Migranten für einzelne Wohnprojekte vorgesehen oder deportiert wurden. Obwohl er immer noch per Mundpropaganda gebeten wird, bei Installationen zu helfen, gründete er ein Ein-Mann-Unternehmen, durch das er nun Verträge und kleine Erstattungen für Installation und Wartung aushandeln kann. Er ist sich bewusst, dass dies keine unumstrittene Praxis in Freifunk-Gemeinschaften ist, da dies die Traditionen verletzt, die auf Gegenseitigkeit, Nicht-Kommerzialisierung und kostenlose Weitergabe von Fähigkeiten an andere beruhen. Auf diese Kritik antwortet er, dass viele Einrichtungen und Aufnahmezentren einfach einen “professionellen” Service mit klaren Verantwortlichkeiten verlangen. Außerdem meint er, es wäre unfair von den Betreibern der Unterkünfte, sich „einfach zurückzulehnen und zu entspannen“. Das Management sollte vielmehr insofern dafür verantwortlich gemacht werden, dass es zumindest die laufenden finanziellen Kosten der Infrastruktur übernimmt.

Die Debatte darüber, wie man den Internetzugang mit „allen zur Verfügung stehenden Mitteln“ ermöglichen kann, wenn man dabei aber einige der Prinzipien von Freifunk verletzen muss, zeigt, wie die DIY-Praktiken von Freifunk in das Spannungsfeld geraten können, das der Anthropologe und Arzt Didier Fassin als „den humanitären Grund“ bezeichnet (17).

Bei einigen Freifunk-Teilnehmern wurde dieser Bruch mit Traditionen nur an bestimmten Stellen in Frage gestellt. Häufig diskutierte Beispiele waren, dass Sozialdienstleister sie dazu aufforderten, Content-Filter-Software im Netzwerk zu installieren oder das Netzwerk zu bestimmten Tageszeiten automatisch herunterzufahren. In dieser Situation haben sich die Freifunker den Anfragen widersetzt oder die Installation insgesamt gestoppt. Umgekehrt wurden Freifunk-Router und -Praktiken zu „humanitären Gütern“ (18), die für philanthropische Spendenaktionen genutzt werden (mit einem Spitzenwert bei der Mittelbeschaffung im Jahr 2016). Damit stehen Freifunk-Projekte auch im Wettbewerb mit einem größeren Markt, der sich auf Geräte und Finanzierungsmöglichkeiten für andere „gute Projekte“ konzentriert (19).

Fall 2: Freifunk ins Klassenzimmer bringen

Obwohl das Thema Migration 2015 für weite Teile der Freifunk-Bewegung ein wichtiges Thema war, strebten viele gleichzeitig danach, die Freifunk-Praktiken auf Bildungs- und soziale Einrichtungen auszudehnen. Um dieses Potenzial auszuloten, hat der Förderverein freie Netzwerke e.V. gemeinsam mit der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) und der Jugend- und Familienstiftung des Landes Berlin (jsfb) ein gemeinsames Projekt finanziert (20). In ihrer ersten Runde konzentrierte sich das Projekt auf 10 Berliner Jugendzentren, die sich bereits für die Vermittlung von Medienkompetenz für Kinder und Jugendliche qualifizierten. Der Plan bestand darin, mehrere Empowerment-Workshops abzuhalten, in denen Mitarbeiter und Jugendliche lernen, wie man modifizierte Firmware “flasht” (ein für Freifunk modifiziertes Betriebssystem installieren) und Router lokal einrichten kann. Es wurde ferner davon ausgegangen, dass die Workshops zur Bildung von lokalen Arbeitsgruppen führen würden, die das Netzwerk weiter in die angrenzende Nachbarschaft ausdehnen würden.

Einer der Teilnehmer war Holger, ein 47-jähriger IT-Spezialist, den wir zu seinen Erfahrungen befragten. Er ist als Systemadministrator bei einem Unternehmen angestellt, das IT-Lösungen in Sozial- und Bildungseinrichtungen anbietet. Davor hatte er bereits als Medientrainer in einem der dafür vorgesehenen Zentren gearbeitet. Er sympathisiert sehr stark mit der Idee von Community-Netzwerken und ist von den spezifischen Freiheitsprinzipien überzeugt, die hinter der Idee von Freifunk stehen: Der Zugang zum Internet sollte nicht nur kostenlos sein, sondern auch ohne Inhaltsfilter. Anstatt eine Zensurdebatte über „schädliche Inhalte“ entfachen, dient die Offenheit von Freifunk dazu, die Medienkompetenz unter dem Klientel des Jugendzentrums zu fördern.

Obwohl es gelang, in acht von zehn Jugendzentren Freifunk-Netzwerke einzurichten, erwies sich die Durchführung der Workshops sowohl für die Mitarbeiter der Zentren als auch für die teilnehmenden Jugendlichen als nicht einfach. Aufgrund seines Hintergrunds in freier Software, erklärte Holger, sei es für ihn einfach, sich an Freifunk-Kursen zu beteiligen, die er im Vergleich zu anderen Aktivitäten im Zentrum als eher „hohes Niveau“ einstuft. Trotzdem haben ihm mehrere Kinder im Alter von 12 Jahren aktiv beim Einrichten der Ausrüstung geholfen.

Holger wies darauf hin, dass sich das Jugendzentrum im Vergleich zur kosmopolitischen Innenstadt in einem infrastrukturell marginalisierten Stadtteil befindet und dass die Förderung der Partizipation keine leichte Aufgabe ist. Trotzdem bleibt er optimistisch, insbesondere wenn es darum geht, die Gleichstellung der Geschlechter durch den Umgang mit Technologie zu fördern. Obwohl die Mehrheit der Teilnehmer am Freifunk-Workshop Jungen waren, hat Holger in dem Zentrum Programmierkurse durchgeführt, in denen die Geschlechterverteilung tendenziell gleich war. Er sieht einen Trend, dass sich die Geschlechterverteilung im IT-Bereich und in der Computerspielszene verändert, ein Trend, der auch Freifunk erreichen könnte.

Um diese Entwicklung zu fördern, betonte Holger, dass der DIY-Ansatz von Freifunk eigentlich bereits Teil des Schullehrplans sein sollte, um ein tiefgreifendes Lernerlebnis mit digitalen Technologien zu ermöglichen. Genau diese Frage wird in der zweiten Projektrunde aufgegriffen: Es wird der Versuch unternommen, das Freifunk-Modell in einem interdisziplinären Kurs zu Informatik, Physik, Mathematik und Ethik an Schulen unterrichten zu lassen. Das Projekt wird auch dadurch vorangetrieben, dass viele Schulen in Deutschland in Bezug auf die Infrastruktur für digitale Medien eher schlecht ausgestattet sind. Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Wartung von IT-Systemen stark vom Engagement der einzelnen Lehrer abhängt. Hier ist die zweite Phase des Projekts am meisten mit der ersten verbunden, da Lehrer intensiv trainiert werden müssen, um Freifunk an den Schulen erfolgreich umzusetzen. Eine Antwort ist die Entwicklung offener Bildungsressourcen, die für Unterrichtszwecke verwendet werden können (21). Vorbilder dafür finden sich in Projekten wie »Junge Tüftler« (22).

Letztendlich besteht das Ziel der Freifunk-Schulinitiative darin, Kindern und jungen Erwachsenen die Möglichkeit zu bieten, den aktuellen Charakter moderner digitaler Infrastrukturen als Ware und Privateigentum in Frage zu stellen. In seinem Artikel “Es gibt keine kostenlose Software” weist der Anthropologe Christopher Kelty auf die intensive kommerzielle Ausschlachtung von “Open Source” -Praktiken hin, um sowohl den Bedürfnissen großer Software-Unternehmen als auch denen Nöten von prekär bezahlten Software-Entwicklern gerecht zu werden. Die politische Bedeutung freier Software habe sich seiner Ansicht nach gerade aus der hybriden Position “zwischen den Unternehmensformen der mit geistigem Eigentum gesättigten IT-Industrie und der kulturellen Nutzung von Software und Tools” abgeleitet (23). Das Schulprojekt ist ein neuer, frischer Versuch, um durch Workshops, Unterrichtsmaterialien und Dialog mit wichtigen politischen Akteuren wie Freifunk in einen erweiterten Kontext zu bringen.

Schlussfolgerungen

Durch die Gegenüberstellung der beiden oben genannten Fälle wird deutlich, wie vielfältig die Freifunk-Initiative ist und wie sich ihre traditionellen Praktiken in unterschiedlichen politischen und pädagogischen Kontexten entwickeln. Zum einen gelang es den FreifunkerInnen aufzuzeigen, wie prekär die Kommunikationsinfrastrukur ist, der man in zerfallenden öffentlichen Einrichtungen begegnet, während die Politik auf ein repressives deutsches Flüchtlingsregime setzt. Zum anderen zeigt sich, dass sich für die Freifunk-Bewegung die Notwendigkeit ergibt, sich mit den Schwierigkeiten auseinanderzusetzen, die sich durch humanitäre Interventionen, unerwarteter “Professionalisierung” und der Umsetzung ihrer Praktiken in Zusammenarbeit mit anderen gesellschaftlichen Gruppen ergeben.

Es ist wichtig, die Grenzen unseres Berichts im Auge zu behalten, wobei der Schwerpunkt auf den Erfahrungen relativ wohlhabender und gebildeter AktivistInnen aus der Mittelschicht liegt. Die beiden Fälle stellen zwar einen bedeutenden Teil der Freifunk-Gemeinschaft dar, können jedoch mit einer transnationalen Kulturform in Verbindung gebracht werden, die auf der Lösung sozialpolitischer Probleme mit Mitteln beruht, die in vom Silicon Valley beeinflussten Tech-Gemeinschaften entwickelt wurden.

Dieses Phänomen wird von der Wissenschaftlerin Lilly Irani in einem schönen Artikel sichtbar gemacht, die ein Designevent in Delhi, Indien, untersucht, das auf sogenannten “Hackathons” aufbaut. Sie begegnet ähnlich gut situierten Indern aus der Mittelschicht und zeigt, dass der Hackathon nicht notwendigerweise funktionierende Produkte produziert, aber bürgerschaftliche Unternehmungen der TeilnehmerInnen fördert (24).

Freifunk-TeilnehmerInnen sollten sich darüber bewusst sein, dass sie mit der ihnen eigenen sozialen Vorstellungswelt aus der Mittelschicht auf Jugendliche oder Migranten in einer völlig anderen Lebenssituation treffen, die entweder um die Staatsbürgerschaft oder die Mittel kämpfen, um die Grenzen ihrer Lebenssituation zu überwinden.

Zukünftige Handlungsschritte

Wir hoffen, dass wir anhand der beiden Fallbeispiele zeigen konnten, wie sich FreifunkerInnen in Berlin und an vielen anderen Orten für neu entwickelnde Formen des „digitalen Freiwilligendienstes“ einsetzen. Freifunk als Initiative zur Förderung einer dezentralisierten Organisation, die den Aufbau eines Infrastruktur-Gemeinwesens und den Ausbau des öffentlichen Engagements betreibt, verfügt über ein unkonventionelles kreatives Potential, ohne sich dem dominierenden Startup-Modell des Silicon Valley zu ergeben. Um dieses Experiment auszubauen und zu erhalten, schlagen wir den Entscheidungsträgern, anderen Freifunk-Communities und zukünftigen Funkaktivisten folgende Schritte vor:

Politische Entscheidungsträger (EU und Deutschland)

  • Öffentliche Mittel für kostenlose drahtlose Netzwerke erhöhen.
  • Trennung von Netz und Diensten, um die Netzneutralität zu gewährleisten (Beispiel des schwedischen Modells).
  • EU-basierte Finanzierungssysteme erweitern, um über die Anschaffung von Hardware für Installationen hinauszugehen und die laufenden Kosten für die Wartung und Nachhaltigkeit der Netzwerke zu decken.
  • Anerkennung der Rolle von Freifunk und anderen Community-Netzwerken bei der Beteiligung der Öffentlichkeit und der öffentlichen Bildung.
  • Förderung des Dialogs zwischen Freifunk-Mitgliedern und sozialen / öffentlichen Institutionen.

Freifunk-Communities und zukünftige Wireless-Aktivisten:

  • Praktiken hinterfragen, die als politisch oder humanitär bezeichnet werden, um Asymmetrien zwischen „Gebern“ und „Empfängern“ zu vermeiden.
  • Die eigene Rolle als Berater nutzen und neue Wege erkunden, um grundlegende Zugangsrechte zu fördern, insbesondere für Minderheiten.
  • Untersuchen der Formen von Subjektivität, Bürgerschaft und Ausgrenzung, die sie in ihren institutionalisierten / kommerzialisierten Praktiken erzeugen.]
  • Transnationales Engagement ausbauen.

Fussnoten:

  1. Schröder, I. (2017). Freifunk Hilft. In W. Schiffauer, A. Eilert, & M. Rudloff (Eds.), So schaffen wir das – eine Zivilgesellschaft im Aufbruch: 90 wegweisende Projekte mit Geflüchteten. Bielefeld: transcript Verlag.
  2. Kubitschko, S., & Schütz, T. (2017). Humanitarian Media Intervention: Infrastructuring in Times of Forced Migration. Spheres: Journal for Digital Culture #3.
  3. Aufnahme- und Notfallzentren sind die ersten Institutionen, in denen sich Flüchtlinge registrieren müssen, bevor sie schließlich in Langzeitunterkünfte oder Privathäuser umgesiedelt werden.
  4. Petersen, G. (2014). Freifunk: When Technology and Politics Assemble into Subversion. In J. Leach & L. Wilson (Eds.), Subversion, Conversion, Development: Cross-Cultural Knowledge Exchange and the Politics of Design. Cambridge, MA: MIT Press.
  5. https://en.wikipedia.org/wiki/Fab_lab
  6. Um die Regelung der Störerhaftung zu umgehen, wird der gesamte Verkehr innerhalb des Freifunk-Netzwerks über virtuelle private Netzwerke (VPNs) umgeleitet. Dadurch wird die Verbindung über Länder umgeleitet, in denen das Haftungsgesetz nicht gilt, oder auf einen gemeinsam betriebenen Server in Berlin. Darüber hinaus trat die Freifunk-Initiative als Experten vor dem Bundesausschuss „Digital Agenda“ auf und setzte sich für eine Reform des Störerhaftungsgesetzes für offene Wi-Fi-Netzwerke ein. Sie haben auch negative Feststellungsklagen vor Gerichten eingereicht, um das Gesetz rechtlich anzugreifen. Siehe auch den Blog: »Freifunk statt Angst« unter: http://freifunkstattangst.de
  7. High-speed wireless for mobile devices. Siehe: https://en.wikipedia.org/wiki/LTE_(telecommunication)
  8. Kettemann, M. C. (2015, 16 October). Zugang zum Internet: Ein Grundrecht auch für Geflüchtete. iRights.Info.
  9. Freifunk Darmstadt. (2018). Digitales Ehrenamt – Jetzt! www.digitales-ehrenamt.jetzt
  10. Kasparek, B., & Speer, M. (2015). Of Hope. Hungary and the Long Summer of Migration. Bordermonitoring.eu.
  11. Andre. (2013, 22 October). Embassy of Hope. hamburg.freifunk.net, accessed 28 May 2018.
  12. Amnesty International (2017, 15 December). When smartphones are a lifeline, not a luxury. Amnesty International New Zealand.
  13. Kubitschko, S. (2018). Chaos Computer Club: The Communicative Construction of Media Technologies and Infrastructures as a Political Category. In A. Hepp, A. Breiter, & U. Hasebrink (Eds.), Communicative Figurations: Transforming Communications in Times of Deep Mediatization.
  14. In einem Dokument inzwischen nicht mehr online erhältlichen Dokument des Berliner Bezirksamtes für Flüchtlingsfragen werden ein kostenloser WLAN-Zugang in öffentlichen Bereichen sowie zwei Desktop-Computer (je 100 Personen) als Mindestqualitätskriterien festgelegt. Siehe auch: Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten. (2018). Qualitätssicherung.
  15. https://www.eduroam.org
  16. https://wiki.freifunk.net/Berlin:Refugees
  17. Fassin, D. (2011). Humanitarian Reason: A Moral History of the Present. University of California Press.
  18. Collier, S. J., Cross, J., Redfield, P., & Street, A. (2017). Preface: Little Development Devices / Humanitarian Goods. Limn, Issue 9.
  19. www.mabb.de/information/digitale-welt/freifunk.html
  20. Krause, M. (2014). The Good Project: Humanitarian Relief NGOs and the Fragmentation of Reason. Chicago: University of Chicago Press.
  21. https://freifunkoer.github.io/Freifunk-OER
  22. The Journal of Peer Production #3.
  23. Irani, L. (2015). Hackathons and the Making of Entrepreneurial Citizenship. Science, Technology, & Human Values, 40(5), 799-824.

Der Aufstieg, Fall und erneute Aufstieg von Community-Netzwerken

Autoren: Steve Song, Carlos Rey-Moreno, Anriette Esterhuysen, Mike Jensen und Leandro Navarro

Organisationen: Fellow in Residence, Mozilla Foundation; Association for Progressive Communications (APC); Pangea.org

Community-Netzwerke (1) gingen dem kommerziellen Internet voraus. Sie haben ihre Wurzeln in den frühen E-Mail- und elektronischen Bulletin-Board-Systemen (BBS), die Mitte der 80er Jahre entstanden sind. Diese Systeme wuchsen zu Netzwerken, die sich leicht von Enthusiasten mit der Technologie von Wählmodems und den neu aufkommenden, kostengünstigen Personalcomputern aufbauen ließen. Diese Netzwerke wurden auch von sozialen Aktivisten übernommen, die sofort ihr Potenzial für eine verbesserte Organisation, den Wissensaustausch und die Verbreitung ihrer Ideen erkannten.

Die Wurzeln der Association for Progressive Communications (APC), einem globalen Netzwerk von sozialen aktivistischen Organisationen, liegen darin, Gemeinschaftsgruppen auf der ganzen Welt mit E-Mail und News(2) zu vernetzen. Dies geschah zu einer Zeit, als E-Mails und Bulletin-Board-Systeme auf einen winzigen Bruchteil der Gesellschaft in Europa beschränkt waren, der an akademischen Instituten Zugang zu Computern hatte. Als es möglich wurde, diese Systeme miteinander zu vernetzen, beispielsweise mit Hilfe von FidoNet (3) oder UUCP (4), trug ihre Erschwinglichkeit und Zugänglichkeit dazu bei, sich unter sozialen und politischen Bewegungen auf der ganzen Welt zu verbreiten, insbesondere bei denjenigen, die keine verlässlichen Möglichkeiten hatten, international kommunizieren. (5)

In dieser frühen Phase vor dem Internet vereinfachte APC die Verwendung von E-Mails und unterhielt hunderte private Diskussionsforen von und für Nichtregierungsorganisationen, Organisationen der Vereinten Nationen, Gewerkschaften, Universitäten, Journalisten und Aktivisten. Diese Foren wurden von APC-Mitglieds- oder -Partnerorganisationen auf der ganzen Welt kopiert und lokal zur Verfügung gestellt, anfänglich noch über Wählmodems, später auch über öffentliche Datennetze. (6)

Dementsprechend ist APC ein globales Computerkommunikations- und Informationsnetzwerk, das von vielen lokalen Mitgliedsnetzwerken betrieben wird – Organisationen, die lokalen Zugang zu diesem globalen Ressourcennetzwerk bieten und häufig als selbständige Genossenschaften oder Kollektive betrieben werden.

Mit dem Wachstum des kommerziellen Internets in den 1990er Jahren und der Geburt des World Wide Web (7) begannen FidoNet und UUCP den kommerziellen Internet-Service-Providern (ISPs) zu weichen, die das gesamte Internet und nicht nur E-Mail- und Newsgroups anboten (8).

Die Benutzer dieser frühen Internetdienste stützten sich hauptsächlich auf Einwahlmodems, die über Kupfer-Telefonleitungen betrieben wurden. Im Gegensatz zum Store-and-Forward-Prinzip von FidoNet / UUCP erforderte das Internet die ständige Nutzung einer Telefonleitung. Während dieser Service sich schnell auf der ganzen Welt verbreitete, war er auf diejenigen beschränkt, die über eigene Telefonanschlüsse mit stabiler Verbindung verfügten und sich die monatliche Abonnementgebühr leisten konnten (und große Telefonrechnungen außerhalb von Nordamerika und anderen Orten, wo es kostenlose Ortsgespräche gab). Es ist nicht überraschend, dass Menschen in Entwicklungsländern und die Armen überall auf der Welt nur stark eingeschränkten Zugang zum Internet hatten. Eine Lösung, die sich um diese Zeit insbesondere in Europa und Nordamerika entwickelte, wo eine gute Telekommunikationsinfrastruktur vorhanden war, waren Community-Netzwerke, die als Freie Netze (9) bezeichnet wurden. Freie Netze boten kostenlosen Einwahlzugang und Öffentliche Terminals, die es den Bürgern ermöglichten, an Diskussionsforen über lokale Stadtthemen und -probleme teilzunehmen. Viele dieser Freien Netze entwickelten sich später zu Community-ISPs oder Genossenschaften.

Aber es war eine weitere kostengünstige Alltagstechnologie, die schließlich das unabhängige Wachstum von Community-Netzwerken wirklich ermöglichte. Im Jahr 2003 wurde entdeckt, dass Linksys, ein Hersteller von WLAN-Routern, freie Software, die unter der GNU General Public License (GNU General Public License) lizenziert ist, für die Firmware seiner Router verwendet hatte. Dank einer solchen Lizenz muss jeder, der die Software verwendet oder ändert, die Quelltexte der Software zu den gleichen Bedingungen wie die frei verfügbare Originalquelle auf Verlangen an die Kunden weitergeben. Linksys musste den Quellcode für seinen Wi-Fi-Router WRT54G für die Community veröffentlichen. Dies löste eine Welle des Bastelns und der Innovation mit diesen Geräten aus, was wiederum zu mehreren wichtigen Neuerungen führte. (10)

Wi-Fi-Hacker stellten fest, dass sie das WLAN der Linksys-Router in den Ad-Hoc-Modus (Multipunkt-zu-Multipunkt-Modus) versetzen konnten, um vermaschte Peer-to-Peer-Netzwerke (Meshnetzwerke) aufzubauen, die es erlauben, die Reichweite der Router zu erweitern, indem sie sich drahtlos untereinander vernetzen. Sie stellten außerdem fest, dass die mitgelieferten Antennen u.a. durch selbstgebaute Dosenantennen (“Can-Tennas”) ersetzt werden können, um eine Reichweite über mehrere Kilometer zu erzielen. Der freigegebene Quellcode entwickelte sich zu Open-Source-Betriebssystemen für WLAN-Router, wie OpenWrt. (11) Dies brachte die Community Wireless-Bewegung hervor, die in Städten und Universitäten auf der ganzen Welt zu florieren begann.

Obwohl diese Netzwerke nur auf eine beschränkte Entfernung zu einem bestehenden Internetuplink beschränkt waren, hatten sie einen tiefgreifenden Einfluss auf den erschwinglichen Internet-Zugang, da eine einzelne DFÜ-Internetverbindung (ADSL) mit einer ganzen Gemeinschaft geteilt werden konnte. Beispiele wie Free2Air (12) in Europa und andere im globalen Norden lieferten die Grundlage (13), um Erfahrungen zu sammeln und zu dokumentieren, die dann mit dem globalen Süden ausgetauscht (14) und dort erprobt wurden (15). Zusätzlicher Schwung wurde durch die Internationalen Gipfel für Community Wireless Networks (IS4CWN) gewonnen, die von 2004 bis 2013 stattfanden, sowie durch das BattleMesh (16), eine jährliche Veranstaltung, die von Entwicklern von Open-Source-Ad-hoc-Routingprotokollen für Netzwerke organisiert wird.

Gegen Ende der 2000er Jahre änderten sich die Dinge. Der Aufstieg der mobilen Datennetze, zuerst mit 3G- und dann mit LTE-Technologie, bot eine Alternative zu drahtlosen Community-Netzwerken, die einigermaßen erschwinglich und oft zuverlässiger war. Mit der steigenden Nachfrage nach Breitband hatten Community-Netzwerke häufig Schwierigkeiten, mit der Kapazitätsnachfrage Schritt zu halten. Infolgedessen sind viele dieser Netzwerke entweder verschwunden oder haben sich auf Content-Hosting und -Services konzentriert. Viele kommerzielle drahtlose ISPs haben ebenfalls darunter gelitten.

Einige Community-Netzwerk wie guifi.net (17) auf der Iberischen Halbinsel begannen nun neben WiFi auch Glasfaser-Netze aufzubauen und entwickelten ihre Praxis durch die Anwendung der von Elinor Ostrom (18) erforschten Prinzipien der gemeinsamen Poolressourcen weiter. Die Community-Netzwerke, die überlebten, stützten sich oft auf die außergewöhnlichen Anstrengungen einiger talentierter Freiwilliger und deren Interesse, ihre eigene kooperative Netzwerk- und Zugangsinfrastruktur aufzubauen und sich darauf zu verlassen.

Nutzen wir nun den schnellen Vorlauf zur letzten Hälfte dieses Jahrzehnts, und wir sehen, dass sich neue Trends mit Auswirkungen auf die Community-Netzwerke herausgebildet haben. Am wichtigsten ist vielleicht, dass der Wert von bezahlbarer Internetkonnektivität so weit angestiegen ist, dass er mit anderen grundsätzlichen Ressourcen der Daseinsversorgung zu rivalisieren beginnt. Vor mehr als einem Jahrzehnt stellten die Forscher fest, dass der einfache Zugang zu einem Kommunikationsnetz direkt mit der Verringerung der Wahrscheinlichkeit korreliert, an Malaria zu sterben (19). Heute bieten Smartphones leistungsstarke generische Dienste wie Gruppenchats und persönliche Nachrichten, sowie spezifischere Apps für kritische Lebensbereiche wie Bildung, Landwirtschaft und andere. Damit nähern sich Kommunikationsnetze dem Status einer wesentlichen Infrastruktur für die Daseinsvorsoge der Menschen. Der erschwingliche Zugang zu Kommunikation ist vom Luxus zur Notwendigkeit geworden, unabhängig davon, wo wir leben oder was wir verdienen.

Trotzdem hat mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung keinen Zugang zum Internet. Traditionelle Lösungen stoßen an ihre Grenzen. Das Wachstum von Mobilfunkteilnehmern verlangsamt sich, da die derzeitige Wirtschaftlichkeit der Mobilfunknetzbetreiber in Märkten mit Einkommen auf Subsistenzniveau und / oder in dünn besiedelten Regionen nur schwer realisierbar ist.

Es ist auch bemerkenswert, dass sich die gleiche Entwicklung in der Zahl der Internetnutzer widerspiegelt, deren jährliches Wachstum sich von 12% im Jahr 2016 auf nur noch 7% im Jahr 2017 verlangsamt hat. Verschiedene Versuche, dieses Problem durch Universaldienststrategien/-fonds, Initiativen von privaten Organisationen oder reichen Philanthropen zu lösen, waren nur begrenzt erfolgreich.

Dies stellt politische Entscheidungsträger und Aufsichtsbehörden vor ein schwieriges Problem. Für sie nimmt der ökonomische Wert von Personen mit erschwinglichem Zugang zu Kommunikationsinfrastruktur weiter zu, während der Abstand zu den Menschen ohne Zugang sich immer weiter vergrößert, da sie auf ihrem gegenwärtigen Status Quo verharren. Diejenigen, die am dringendsten Unterstützung benötigen, sind vom Zugang zu Entwicklungschancen, zu sozialen und gesundheitlichen Sicherheitsnetzen, zu Bildung, zu lebensfördernden Informationen und von Plattformen, die Veränderungen hervorrufen, abgeschnitten. Es ist ironisch oder vielleicht tragisch, dass die Stimmen der Menschen ohne Zugang in dieser Frage nicht gehört werden, weil sie gar nicht gehört werden können. Und das Problem geht über die Gruppe der Menchen hinaus, die schlicht gar keine Anbindung haben. Es gibt auch die Unterversorgten, die gar keine Wahlmöglichkeiten haben. Der Mangel an Zugangsalternativen führt häufig zu Kosten, die für einen erheblichen Teil der Bevölkerung (insbesondere in ländlichen Gebieten) unerschwinglich sind, und / oder zu geringer Qualität oder Geschwindigkeit der Dienste. In einem Umfeld, in dem es zu einem Trend wird, dass Regierungen den Zugang zur Kommunikation nach Belieben herunterfahren und der Datenschutz für viele zu einer wachsenden Sorge wird, beeinträchtigt dieser Mangel an Alternativen auch die Meinungsfreiheit vieler Nutzer.

Diese unbeachteten Bedürfnisse stellen eine Herausforderung und eine Chance für Community-Netzwerke dar. Wenn Gemeinschaftsnetzwerke in der Zeit vor dem Internet erfolgreich gedeihen und Dienste erbringen konnten, könnten sie dies möglicherweise erneut tun? Es gibt eine Reihe von Faktoren, die darauf hindeuten, dass sich die Landschaft der Telekommunikationsinfrastruktur erneut verändert hat.

Die Verbreitung von Glasfaserinfrastruktur, sowohl durch Seekabel als auch an Land, verändert den Zugangsmarkt. Glasfasernetze sind die Tiefwasserhäfen des Internets. Es steht außer Frage, dass Glasfasernetze die Fähigkeit bestehender Betreiber, Breitband bereitzustellen, erhöhen. Diese Netze eröffnen neuen Akteuren neue Möglichkeiten, die jetzt gezieltere, lokalisierte, erschwingliche Lösungen für unversorgte und unterversorgte Bevölkerungsgruppen bereitstellen können. Wo es Open-Access-Richtlinien (20) gibt, hat die Verbreitung von Glasfaser-Netzen über Seekabel und auf dem Land den Zugang zu Breitbandanschlüssen demokratisiert.

Neue Entwicklungen in den Technologien zur Bereitstellung von Breitband über die letzte Meile eröffnen auch neue Möglichkeiten. Die Verbreitung von WLAN als Zugangstechnologie ermöglicht es kommerziellen, staatlichen und kommunalen Zugangsinitiativen, lokale Dienste anzubieten. Technologien, die das Funkspektrum dynamisch nutzen, wie beispielsweise TV-White Space (TVWS) sind als alternative Zugangstechnologien vielversprechend. Schließlich hat das rasante Wachstum der Internetanwender in Verbindung mit der Massenfertigung die Kosten und die Komplexität von Zugangstechnologien auf einen Punkt reduziert, an dem sie für kleine Betreiber erschwinglich sind. Zum Beispiel können kostengünstige solarbetriebene Open-Source-GSM-Basisstationen zu einem Bruchteil der Kosten eingesetzt werden, verglichen mit den proprietären Geräten, die von bestehenden Mobilfunknetzbetreibern verwendet werden.

Alle diese Änderungen in der Infrastruktur und den verfügbaren Technologien werden heute auf fantasievollen Weise von Community-Netzen auf der ganzen Welt genutzt, um ihre Kommunikationsanforderungen zu erfüllen. Ihre Erfordernisse sind unterschiedlich und beziehen sich auf Fragen wie fehlende Dienstleistungen, Erschwinglichkeit oder Qualität des Zugangs zu Sprach- und Datendiensten oder das Fehlen lokal relevanter Inhalte und Dienste, die häufig von Mainstream-Anbietern ignoriert werden. Die Kommunikationsbedürfnisse einer Community gehen jedoch über technische Fragen hinaus. An Orten, an denen sowohl kommerzielle als auch Community-Anbieter vorhanden sind, können Benutzer aus Vertrauensgründen, oder wegen ihres Engagements für die lokale ökonomische Entwicklung, auf die Kommunikationdienstleistungen ihrer eigenen Community-Netzwerke zugreifen, da sie kundenfreundlich sind oder ihre Privatsphäre besser schützen als ihre kommerziellen Wettbewerber.

Es gibt zwar viele gute Beispiele für Erfolgsgeschichten in Community-Netzwerken auf der ganzen Welt, aber Community-Networks sind noch lange nicht die Norm.

Dafür gibt es mehrere Gründe.

Erstens fehlt das Bewusstsein für die Chancen, die Community-Netzwerke bieten. Die fortschrittlicheren Community-Netzwerke wie B4RN (21) in Großbritannien und guifi.net auf der Iberischen Halbinsel bieten Breitbanddienste an, die die etablierten kommerziellen Betreiber weder hinsichtlich Geschwindigkeit noch Preis erreichen können. Weder die Leistungen dieser Community-Netze noch ihre innovativen, auf das Gemeinwohl ausgerichteten Geschäftsmodelle sind allgemein bekannt. Im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca unterstützt Rhizomatica (22), ein gemeinnütziger Verein, die Gemeinden beim Aufbau ihrer eigenen GSM-Basisstationen und -dienste. Ihre bemerkenswerte Leistung ist jedoch auch nicht so bekannt, wie sie sein sollte. Es muss noch mehr unternommen werden, um darüber zu informieren, wie diese Organisationen Community-Netzwerke von der nachgewiesenen Machbarkeit zur nachgewiesenen Skalierbarkeit gekommen sind.

Ein zweiter limitierender Faktor ist der derzeitige Stand der Politik und Regulierung für Gemeinschaftsnetzwerke. Gemeinschaftsnetze sind eher trotz der sie behindernden bestehenden Regelungen als wegen progressiven Regelungen entstanden. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen wurden für große, relativ langsam laufende, monolithische Betreiber konzipiert. Änderungen der Zugangspolitik und Regulierung sind erforderlich, insbesondere im Hinblick auf die Frequenzverwaltung, um die Gemeinden zu ermutigen, ihre Zugangsprobleme anzugehen. Gemäß der Empfehlung der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) ist es „wichtig, dass die Verwaltungen bei ihren Planungs- und Lizenzierungsaktivitäten für Funkfrequenzen Mechanismen in Betracht ziehen, um die Bereitstellung von Breitbanddiensten in ländlichen und abgelegenen Gebieten durch kleine und gemeinnützige Betreiber zu erleichtern.“ (23)

Ein weiterer Faktor hängt mit dem Mangel an technischer und finanzieller Unterstützung zusammen, um diejenigen zu unterstützen, die die Möglichkeiten eines Community-Netzwerks sehen, aber weder über das technische Fachwissen noch über die Startfinanzierung verfügen. Ein universeller, erschwinglicher Zugang zur Kommunikation wird nur dann erreicht, wenn Gemeinden die Möglichkeit haben, ihre eigenen lokalen Zugriffsherausforderungen zu lösen, anstatt nur darauf zu warten, verbunden zu werden.

Schließlich bestehen Gemeinschaften aus Menschen mit ihrem eigenen Hintergrund, ihrer eigenen sozialen Dynamik und Geschichte. Community-Netzwerke müssen sich wie jede andere kollektive Initiative auch mit den unterschiedlichen Empfindlichkeiten aller in der Community auseinandersetzen, um die Bildung abgeschlossener Partikulargruppen zu vermeiden, die bestehende Ungleichheiten, unter anderem hinsichtlich des Geschlechts, der wirtschaftlichen Ressourcen oder der technischen Fähigkeiten, aufrechterhalten. Dies ist nicht immer möglich, und Spannungen und Probleme müssen gelöst werden, damit alle Mitglieder der Gemeinschaft die Vorteile des Netzwerks nutzen können.

Wie die 43 Länderberichte der diesjährigen Global Information Society Watch zeigen, ist es vielen Kollektiven auf der ganzen Welt jedoch gelungen, diese Herausforderungen zu meistern. Und wie in den Tagen vor dem Internet arbeiten sie untereinander zusammen, tauschen Informationen aus und lernen voneinander und ergreifen kollektive Maßnahmen auf lokaler, nationaler, regionaler und globaler Ebene, um ihre Arbeit zu konsolidieren und immer mehr Menschen dazu zu ermutigen, sich einer globalen Bewegung anzuschließen.

Fussnoten

  1. Kommunikationsnetze, die von Bürgern partizipativ und offen aufgebaut, betrieben, genutzt und genutzt werden.
  2. Nachrichten zu dieser Zeit wurden über “Newsgroups” ausgetauscht, hauptsächlich über “Usenet-Newsgroups”, die es den Benutzern ermöglichten, Nachrichtenartikel zu teilen und den Inhalt mit anderen zu diskutieren. Einige Newsgroups wurden ausschließlich zur Diskussion und Debatten verwendet. Das Usenet wurde über ein Jahrzehnt vor dem öffentlichen Internet und dem World Wide Web entwickelt. APC ermöglichte den Zugriff sowohl auf die öffentliche Usenet-Newsgroup als auch auf APC-geführte Newsgroups. https://en.wikipedia.org/wiki/Usenet
  3. https://en.wikipedia.org/wiki/FidoNet und auch: https://www.fidonet.org/inet92_Randy_Bush.txt
  4. https://en.wikipedia.org/wiki/UUCP
  5. Murphy, B. (2001). Mike Jensen and the code that stitched together the APC: The pre-internet days and early efforts at linking APC nodes. APC Annual Report 2000. https://www.apc.org/about/history/mike-jensen-pre-internet-days
  6. APC-Knoten waren selbst durch eine breite Palette von Technologien miteinander verbunden, von LEO-Satelliten über internationale X.25-Paketleitungen bis hin zu lokalen Hochschulverbindungen und internationalen DFÜ-Verbindungen, die die neuesten Hochleistungsmodems verwenden (z. B. Trailblazer).
  7. Die erste APC Website im Internet Archiv: https://web.archive.org/web/19961028120226/http://www.apc.org:80
  8. Surman, M. (2001). Where do we go from here? APC after the internet explosion. APC Annual Report 2000.
  9. https://en.wikipedia.org/wiki/Free-net
  10. Miklas, A. (2003, 7 June). Linksys WRT54G and the GPL. LKML.ORG.
  11. https://en.wikipedia.org/wiki/OpenWrt
  12. https://wiki.p2pfoundation.net/Free2Air
  13. http://wndw.net
  14. https://www.apc.org/en/project/wireless-lac-tricalcar und https://www.apc.org/en/wireless
  15. http://www.fmfi.org.za/wiki/index.php/First_Mile_First_Inch_Home_Page
  16. https://battlemesh.org
  17. Siehe den katalanischen Länderbericht in dieser Ausgabe von GISWatch.
  18. https://en.wikipedia.org/wiki/Elinor_Ostrom
  19. Mozumder, P., & Marathe, A. (2007). Role of information and communication networks in malaria survival. Malaria Journal, 6, 136.
  20. ITU. (2011). Open access regulation in the digital economy. https://www.itu.int/net/itunews/issues/2011/07/43.aspx
  21. https://b4rn.org.uk
  22. Siehe den Länderbericht von Mexiko in dieser Ausgabe von GISWatch.
  23. Recommendation ITU-D 19. See: International Telecommunication Union. (2017). World Telecommunication Development Conference (WTDC-17): Final Report, p. 634.

Global Information Society Watch 2018 – Community Networks

Übersetzungsserie im blog.freifunk.net

Die diesjährige Ausgabe des GISWatch Report konzentriert auf Community Netzwerke, die physische Kommunikationsinfrastruktur bereit stellen.

Die Global Information Society Watch (GISWatch) ist ein Raum für die gemeinsame Beobachtung der Umsetzung internationaler (und nationaler) Verpflichtungen der Regierungen zur Schaffung einer inklusiven Informationsgesellschaft.

Der Fördervereine freie Netzwerke hat einen Freifunk Artikel beigesteuert und wird hier nach und nach die deutsche Übersetzung aller Artikel publizieren. Damit sollen die weltweiten Berichte einer breiten Leserschaft einfach zugänglich gemacht werden. Die Auseinandersetzung mit den vielfältigen Ausprägungen und Herausforderungen von CNs auch ausserhalb des Freifunks eröffnet andere Perspektiven und ermöglicht neuen Austausch, kreative Lösungen und Zusammarbeit weit über die technischen Aspekte hinaus.

Pressemitteilung von 13. November 2018

„Eine erschwingliche und zuverlässige Internet-Zugangsinfrastruktur ist zu einem unverzichtbaren Kommunikationsmittel und Zugang zu Informationen geworden, um grundlegende Menschenrechte auszuüben und die wirtschaftliche, soziale und menschliche Entwicklung zu unterstützen. Mit der zunehmenden Verbreitung des Internets hört man jedoch weniger von denjenigen, die nicht miteinander verbunden sind – die weniger wohlhabenden und marginalisierten -, die ihre Rechte nicht auf derselben Grundlage ausüben können. Diejenigen, die keinen Zugang haben, werden doppelt ausgeschlossen: von der “neuen” Welt der Information und Kommunikation, die das Internet bietet, aber auch von der “alten” analogen Welt, auf die sie früher Zugriff hatten – wenn auch unvollständig -, weil immer mehr Dienste und Möglichkeiten nur noch online verfügbar sind. Das Ende der digitalen Ausgrenzung ist nicht nur eine Frage der Verbesserung der Reichweite von mobilen Breitbanddiensten, sondern auch der Verbesserung der Erschwinglichkeit und der Reichweite von lokalen Festnetzinfrastrukturen und -diensten sowie des Aufbaus der technischen und personellen Kapazitäten, um Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit zu gewährleisten. Es geht um die Bereitstellung kostengünstiger und offen zugänglicher lokaler Netzwerkinfrastrukturen sowie die Möglichkeit, die daraus resultierende Konnektivität in Anwendungen und Inhalten von lokalem Interesse in den lokalen Gemeinschaften zu nutzen.

Die Ausgabe von 2018 von GISWatch konzentriert sich auf lokale Zugangsmodelle, insbesondere auf Community-Netzwerke als selbstorganisierte, selbstverwaltete oder -entwickelte Lösungen für den lokalen Zugriff. Diese basieren auf der Überzeugung, dass einer der Schlüssel zu einem erschwinglichen Zugang darin besteht, Menschen vor Ort das Wissen und die Fähigkeiten zu vermitteln, Tools zur Lösung ihrer eigenen Konnektivitätsherausforderungen zu entwickeln. Anstatt einen Access-Service von einer großen Unternehmensstruktur zu kaufen, können Community-Community-Mitglieder die Infrastruktur selbst bereitstellen und gemeinsam nutzen.

Die 43 Länderberichte der diesjährigen Global Information Society Watch erfassen die unterschiedlichen Erfahrungen und Ansätze beim Aufbau von Community-Netzwerken auf der ganzen Welt. Sie zeigen, dass Schlüsselideen wie partizipative Governance-Systeme, Eigenverantwortung der Gemeinschaft und Kompetenztransfer sowie der „Do-it-yourself-Geist“, der Gemeinschaftsnetzwerke in vielen verschiedenen Kontexten vorantreibt, Merkmale sind, die ihnen einen gemeinsamen Zweck und eine gemeinsame Vorgehensweise verleihen.

Die Länderberichte werden von acht thematischen Berichten umrahmt, die sich mit kritischen Themen befassen, wie z. B. den erforderlichen regulatorischen Rahmen zur Unterstützung von Community-Netzwerken, Nachhaltigkeit, lokalen Inhalten, feministischer Infrastruktur und Community-Netzwerken sowie der Bedeutung von “Community Stories” und der Macht Strukturen, in die diese Geschichten eingebettet sind.„

Der „Digital-O-Mat“ zur Wahl in Bayern und Hessen

Sollten alle Software-Entwicklungen der öffentlichen Hand auch als freie und Open-Source-Software veröffentlicht werden? Brauchen Hessen oder Bayern ein Informationsfreiheitsgesetz, das diesen Namen verdient? Sollte ehrenamtliches Engagement im digitalen Bereich genauso gefördert werden wie im analogen? Ab sofort können alle Wahlberechtigten ein neues Online-Tool als Entscheidungshilfe für die Landtagswahlen nutzen: In 10 Klicks verrät der Digital-O-Mat Wählerinnen und Wählern, mit welcher Partei sie bei netzpolitischen Themen auf einer Wellenlänge liegen.

Warum ist eine Hilfestellung zu netzpolitischen Themen nötig?

Digitale Themen gewinnen auch im Alltag der Wählerinnen und Wähler zunehmend an Bedeutung, kommen in der allgemeinen Wahlberichterstattung jedoch oft zu kurz. Unter https://digital-o-mat.de gibt das Tool einen Überblick über die jeweiligen Parteipositionen zu netzpolitisch relevanten Themen und erleichtert auf dieser Grundlage die informierte Wahlentscheidung. Die netzpolitischen Standpunkte der Parteien zu den Themen Informationsfreiheitsgesetz, freier Zugang zu öffentlich finanzierten Inhalten, die Verwendung von Open-Source-Software in Bildung und öffentlicher Verwaltung, Gemeingutstatus von Kunst im digitalen Raum, automatisierte Überwachung sowie die Umsetzung der EU-Datenschutzgrundverordnung stehen dabei diesmal im Mittelpunkt.

Entwickelt wurde der Digital-O-Mat von der Koalition Freies Wissen: Wikimedia Deutschland, Bündnis Freie Bildung, Chaos Computer Club, Digitale Gesellschaft, Freifunk, Free Software Foundation Europe, Open Knowledge Foundation Deutschland. Befragt wurden alle Parteien, die bereits im Landtag vertreten sind bzw. in den Sonntagsfragen des Jahres 2018 mindestens einmal oberhalb der 5-Prozent-Hürde lagen. Neben den Antworten sollten die Parteien auch entsprechende Belege für die in ihren Antworten enthaltenen Positionen liefern, etwa aus Parteibeschlüssen, Initiativen oder den Wahlprogrammen.

Wie funktioniert der Digital-O-Mat?

Politikerinnen und Politiker haben geantwortet, nun sind die Wahlberechtigten gefragt: Um die inhaltliche Schnittmenge der Parteien mit der eigenen Haltung abzugleichen, beziehen die Wahlberechtigten zunächst selbst Stellung. Anhand von 10 Statements zu verschiedenen Themenbereichen kann per Klick auf „stimme zu”, „neutral” oder „stimme nicht zu” ganz einfach herausgefunden werden, welche Partei am ehesten der eigenen netzpolitischen Haltung entspricht.

Wurde das Häkchen bei allen Fragen gesetzt, wird im Anschluss per Ranking sichtbar, mit welchen Parteien die meisten übereinstimmenden Standpunkte in netzpolitischen Fragen erzielt wurden. In der Auswertung kann man zudem durch einen Klick auf die einzelnen Parteien deren Aussagen zu den jeweiligen Themen nachlesen.

Warum bekommen nicht alle Freifunk?

Liebe freifunkas und Interessierte,

via freifunk.net erreichte uns folgende Anfrage und ich möchte meine Antwort dazu gern mit Euch teilen …

Anfrage:
Sehr geehrte Damen und Herren,
wie ich erfahren hatte, werden Flüchtlingen in den Heimen kostenloses Internet zur Verfügung gestellt, was ich für gut empfinde. Leider werden aber einige Personengruppen ausgeschlossen, de ebenfalls den Kontakt nach draußen suchen. Z. B. in Pflegeheimen, Sozialhilfeempängern, und Menschen die in Obdachlosenheimen sind. Bekommen Die Menschen ein kostenlosen Internet zur Verfügung gestellt? Es gibt viele Altenheime, wo die betroffenen keinen Kontakt nach draußen haben und der einzige Möglichkeit ein freies WLAN das noch auch kostenlos nicht bekommen. Der Sozialhilfeträger würde sowas nicht unterstützen. Es gibt viele Sozalhilfempfänger und Personen die  Grundsicherung bekommen. Diese Personengruppen sollten ebenfalls die Möglichkeit erhalten ein kostenlosen Internet zu ermöglichen. Gleiches Recht für alle. Ich bitte Sie auch diesen Personengruppen ein kostenloses Internet zu ermöglichen.
Mit freundliche Grüßen

Antwort:
Hallo …,
Freifunk steht allen zur Nutzung offen 🙂 Es ist ein Gemeinschafts- und Mitmachnetz, siehe http://blog.freifunk.net/2015/memorandum-understanding

Es wurden bereits auch Seniorenheime, Schulen, Unis und Jugendeinrichtungen, Rathäuser vernetzt … Leider ist die Überzeugungsarbeit und die Gespräche mit Verwaltungen und Betreibern oft mühsam. Diese haben oft Vorbehalte gegenüber neutralen Internetangeboten und Bedenken wegen womöglicher Haftung, deshalb kämpfen wir gegen die Störerhaftung, siehe http://freifunkstattangst.de/

Wir sind der Meinung neutraler Access ist ein Menschenrecht und leitet sich aus vielen unserer Grundrechte ab. Die Verantwortlichen aus Politik und Verwaltung sollten entsprechende Gesetze verabschieden.

Wir sind dezentrale Gruppen von Freiwilligen, die natürlich die Versäumnisse von Heimbetreibern und (öffentlichen oder privaten) Einrichtungen nicht komplett ausgleichen können. Aber je mehr Menschen sich beteiligen, um so mehr Freifunk wird es geben. Über community.freifunk.net kann jede_r Kontakt zu den lokalen Gruppen suchen und sich selbst einbringen.

Es ist nicht so, dass das nichts kostet … Richtig ist, dass sich Freifunkas und Unterstützer die Kosten gemeinschaftlich teilen und Strom, Internetzugang, VPN Tunnel (wegen der Störerhaftung) und Geräte auf eigene Kosten zur Verfügung stellen.

Nach meiner Meinung sollte für Sozialhilfeempfänger statt Fernsehen lieber der Internetzugang gesponsert werden, dort ist auch Fernsehen möglich dank der (durch die GEZ finanzierten) Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender. Darüber hinaus kann mensch sich weiterbilden, informieren, mit anderen kommunizieren, usw.

Eine Petition, um das Recht auf Zugang für alle zu etablieren, würden wir sofort unterstützen.

Viele Grüße, Monic

Agenda for International Summit for Community Wireless Networks #IS4CWN

WASHINGTON, DC Freifunk and the Open Technology Institute (OTI) at the New America Foundation released the official agenda for the 2013 International Summit for Community Wireless Networks. To be held in Berlin, Germany from October 2-4, 2013, the Summit brings together technology experts, policy analysts, community leaders, and university researchers working on state-of-the-art community wireless broadband projects worldwide. The event provides an opportunity for stakeholders to share strategies and challenges, discuss policy issues, and coordinate research and development efforts.

This year’s summit also commemorates the 10th anniversary of the creation of Freifunk community wireless networks. Founded in Berlin in 2003, Freifunk networks are now in operation in several cities across Germany.  Like their counterparts around the world, Freifunk organizers and participants emphasize the importance of community control and stewardship of their own communications infrastructure.

 Keynote speakers at this year’s summit include :

  • Sascha Meinrath, Summit director, OTI founder and director;
  • Jürgen Neumann, Freifunk co-founder and expert in open hardware;
  • Amelia Andersdotter, Member of European Parliament from the Swedish Pirate Party and proponent for free and open source software and tools;
  • Mahabir Pun, who has pioneered wireless networks in Nepal to connect remote mountainous communities;
  • Joanna Varon Ferraz, researcher at Fundação Getulio Vargas in Brazil concerned with Internet and communications technologies for development (ICT4D);
  • Björn Böhning, a Berlin state politician and advocate of local wireless networks and public access;
  • Virginia Eubanks, author of Digital Dead End and researcher exploring the intersection of technology innovation and economic justice in the United States;
  • Daniel Kitscha, Policy Officer, Spectrum Unit, DG CONNECT, European Commission
  • and many experts and practitioners from around the world

For a copy of the agenda, please visit: here: http://2013.wirelesssummit.org/agenda

For more information or to register, please visit: http://2013.wirelesssummit.org/

IS4CWN – Call for proposals – 2013 feiern wir den 10. Geburtstag von Freifunk!

Seit dem ersten Wireless Community Summit 2004 in Djursland “Fresh Air – Free Networks” haben sich Meshing und andere Community Technologien deutlich weiter entwickelt, sind einfacher geworden und überall auf der Welt sind freie Netzwerke gewachsen. Freifunker haben grundlegenden Anteil an dieser Entwicklung. Unsere Netzwerktechnologien eröffnen Menschen Möglichkeiten, die kommerzielle Anbieter von Kommunikationsinfrastruktur nur teuer oder gar nicht bieten bzw. mehr und mehr einschränken.

Vom 2. bis 4. Oktober findet der “International Summit for Community Wireless Networks” in Berlin statt.

Wir wollen gemeinsam technische, soziale und politische Implikationen von Wireless Community Networks diskutieren. Speziell richten wir den Fokus in diesem Jahr auf Anwendungen, Services und Contents, die innerhalb des lokalen Community Netzwerkes angeboten werden.

Unter anderem sind Vorträge, Workshops, OpenSpaces und ein Hackathon unter dem Titel “Where do we grow from here?”
Und natürlich wird auch gefeiert …

Sendet jetzt Eure Vorschläge ein und gestaltet den Summit aktiv mit:
http://2013.wirelesssummit.org/content/call-proposals

Spread the word und wir freuen uns auf Eure Ideen!
Viele Grüße von Monic, Jürgen und Patrick