Anlässlich des
Wireless Community Weekends in der C-Base in Berlin kamen vom 24. bis
26.03.2006 Freifunk-Enthusiasten aus ganz Europa nach Berlin, unter
ihnen auch Stefan aus Zuzwil in St. Gallen, Schweiz. Er wollte sich in
Berlin vor allem über die Erfahrungen informieren, die andere beim
Aufbau von Freifunk-Netzen gesammelt haben. Mario Behling sprach mit
ihm über seinen Besuch in Berlin, seine Motivation bei Freifunk
mitzumachen und die Philosophie die hinter Freifunk steckt.
Interview mit Stefan Braun im März 2006
Mario: Gruezi Stefan!
Stefan: Hallo!
Mario: Warum bist du nach Berlin gekommen? Nur wegen des Freifunk-Community-Days?
Stefan: Ja, das ist richtig. Ich bin vor allem zum Erfahrungsaustausch
hergekommen. Mich interessiert einerseits die technische Seite,
andererseits die philosophische Seite von freien Netzwerken. Beim
technischen Aspekt interessiert mich zum Beispiel das Antennenbauen.
Wie funktioniert das? Was für Antennen gibt es? …die verschiedenen
Typen. Ja, mir macht das Spaß das selber zu bauen und da habe ich
gedacht, ich komme einfach her.
Mario: Was ist für dich das Spannende am Freifunk-Projekt?
Stefan: Das Umschalten vom Konsumieren zum Selbermachen. Die
Freifunk-Software ist zum Beispiel Open Source, also quelloffen und
unter einer freien Lizenz. Daher kann man bei Freifunk alles abändern
und seinen Bedürfnissen und lokalen Bedingungen anpassen.
Freifunk das bedeutet – eine Gemeinschaft baut ein freies Netz auf, wo
die Gemeinschaft miteinander kommunizieren kann – ganz unabhängig von
kommerziellen Interessen. Es geht darum, dass die Einzelpersonen nicht
wie Konsumenten behandelt werden und sich wie passive Konsumenten
verhalten, sondern sie können aktiv daran teilnehmen.
Und bei dem Treffen hier in Berlin ist für mich auch das Spannende, wie
die Idee von Freifunk von den Gruppen in ganz Europa umgesetzt wird.
Das passiert ganz verschieden. In jedem Projekt wird die Idee etwas
anders angewendet. Das rührt daher, dass die Motivation ein
Freifunk-Netz aufzubauen in verschiedenen Orten ganz unterschiedlich
ist. Freifunk dient zum Beispiel oft vor allem dazu Internet in
Gebieten zu verteilen, wo kein Breitbandanschluss vorhanden ist. Doch
der Community-Gedanke des lokalen Netzwerks tritt immer stärker in den
Vordergrund. Und diese Idee einer freien Community ist für mich am
interessantesten. In der Schweiz – da haben wir auch fast alle
Breitbandzugang.
Mario: Hm, verstehe, und was kann man jetzt in so einem freien Netz machen?
Stefan: Ja, theoretisch ist es alles denkbar. Man kann alle möglichen
Daten tauschen, Dienste anbieten, zum Beispiel freies Voice over IP…
also sozusagen über den Computer telefonieren, freies Radio,
Netzwerkspiele, Peer-to-Peer-Transfer und so weiter. Als praktisches
Beispiel: Ich könnte mir vorstellen, dass zum Beispiel eine kleine
unbekannte Band ihre Musik über das Netzwerk zum Hören zur Verfügung
stellt.
Mario: Ok, aber was ist da der Unterschied zum Internet? Das geht doch heute schon im Internet.
Stefan: Das stimmt! Ein guter Punkt! Ja. Aber im Internet ist man
darauf angewiesen, dass eine große Firma die Infrastruktur zur
Verfügung stellt und ihre Dienste anbietet. Bei Freifunk kann jeder
selber Mitmachen. Jeder Teilnehmer ist quasi Teil eines Ganzen. Und das
Netzwerk gehört den Menschen, die daran teilnehmen. Somit können sie
auch selbst aktiv bestimmen, was sie mit diesem Netzwerk machen. Wenn
Sie den Wunsch haben einen Dienst zu nutzen oder anzubieten, müssen sie
zum Beispiel nicht darauf warten, dass ihnen eine Firma ein Produkt
anbietet. Wenn sie über das Wissen verfügen, können sie selbst jede Art
von Diensten einführen. Zudem sind Freifunk-Netze an sich unabhängig
vom Internet. In dem Sinne sind sie auch ausfallsicherer, denn wenn
etwas einmal nicht funktioniert, muss man nicht warten bis die Firma
kommt, sondern man kann es selbst machen oder sich von jemanden im
Netzwerk helfen lassen. Das setzt natürlich aktive Nutzer und eine
Philosophie der Nachbarschaftshilfe voraus.
Mario: Was benötigt man eigentlich um mitzumachen?
Stefan: Um mitzumachen benötigt man schon ein paar Sachen – einen Access Point,
dann die Freifunk-Software und das Wissen zur Konfiguration. Es ist auf
einigen Gebieten noch ein Experiment, aber es wird immer einfacher und
es läuft bereits. Ja, es funktioniert! Um mitzumachen ist es, denke
ich, aber am wichtigsten ein Interesse zu haben und im Kopf eine
Entscheidung zu fällen: Nicht nur ein passiver Konsument zu sein,
sondern ein aktiver Teilnehmer.
Mario: Wie weit seid ihr in Zuzwil mit eurem Freifunk-Netz?
Stefan: Ja, wir stehen noch ganz am Anfang. Ich bin der Erste, aber es
gibt bereits zwei weitere Interessenten in meiner Nachbarschaft. Wir
wohnen in einem kleinen Dorf und auch die Topologie in der Schweiz ist
ganz anders als zum Beispiel in Berlin. Trotzdem jetzt geht es los!
Mario: Und was denkst du, wie wird es allgemein mit der europaweiten
Freifunk-Community weitergehen? Was kannst du dir vorstellen?
Stefan: Ich kann mir vorstellen, dass man die verschiedenen Funkwolken
über das Internet miteinander verbindet – zum Beispiel die Berliner
„Freifunkwolke“ mit Leipzig, St. Gallen und Brüssel. Dann wären die
interessierten Leute schon einmal näher zusammen. Das wäre ein weiterer
Schritt zur Verbindung der europäischen Community. Daraus könnte sich
eine eigene Netzkultur ganz unabhängig vom kommerziellen Internet
bilden.
Mario: Ja! Ich bin gespannt! Klingt spannend! Danke für das Interview, Stefan!
Stefan: Kein Ursache. Danke auch.
Die Website der Community in St.Gallen: http://fuerstenland-wireless.net